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Twelve Minutes (Xbox, PC) - nicht nur zwölf Minuten Unterhaltung

 


Twelve Minutes hat mich mit seinem Ankündigungstrailer damals gleich fasziniert, denn schon allein die für ein Adventure ungewöhnliche Perspektive sticht aus der Masse hervor: Wir schauen als Spieler von oben auf die Wohnung des Hauptakteurs, die dadurch beinahe wie ein Puppenhaus anmutet. Designer Luis Antonio würzte das Ganze dann noch mit einer noch nicht abgenutzten Spielmechanik, der Zeitschleife. Doch unterhält das Game mehr als einen 12-minütigen Durchgang? Finden wir es heraus!

Annapurna Interaktive hat als Herausgeber schon so manches außergewöhnliche Spiel im Portfolio: Flower, Journey, The Unfinished Swan oder kürzlich erst Maquette sind nur ein paar Beispiele. Und Twelve Minutes schickt sich an, nahtlos eingereiht werden zu können. Das im August für Xbox-Konsolen sowie für PC erschienene Spiel handelt von einem Mann, der mit seiner Frau in einem kleinen Appartement lebt: Schlafzimmer, Bad, Wohnraumküche und ein begehbarer Kleiderschrank sind nicht die Welt, doch es ist beinahe der gesamte Bereich, in dem sich die Handlung entfaltet. Und nein, wir sind dabei nicht nur 12 Minuten vom Abspann entfernt, das Werk unterhält einige Stunden. Da es Teil des Game Pass ist, lud ich es mir vor ein paar Tagen einfach mal herunter. Und gleich vorweg: ich vermeide Spoiler so gut es geht, denn die Handlung ist der Hauptmotivator im Spiel. Das beste wäre sogar, ihr seht euch keine Trailer oder Testvideos an und erlebt die Geschichte völlig unbedarft. Denn genau so steigt auch der Held, ein Mann, vielleicht um die Dreißig, aus dem Fahrstuhl aus. Die Steuerung mit Gamepad geht weitgehend gut von der Hand, wir bewegen uns nicht per Stick, sondern kommen nach Point-and-Click-Tradition voran. Wir zeigen also auf Orte oder Gegenstände, um mit ihnen zu interagieren. Das erste Rätsel betrifft dann gleich das Betreten der eigenen vier Wände. So werden wir sanft an die Steuerung herangeführt, viele Tasten sind dabei nicht nötig, ein Inventar für Aufgesammelten Kram haben wir am oberen Rand des Bildschirms.


In der Wohnung angelangt beginnt der nicht mehr ganz so normale Wahnsinn: wie erwähnt beinahe senkrecht von oben hinunterblickend schauen wir als Spieler in das Appartement, so als hätte jemand die Zimmerdecken entfernt. Nur in manchen Situationen, zum Beispiel beim Betrachten von Gegenständen, wechselt die Ansicht. Unsere Frau kommt aus dem Badezimmer und begrüßt uns recht euphorisch. In diesem ersten Dialog blitzt auch schon das hochkarätige kleine Sprecherensemble hervor: Daisy Ridley (Rey aus Star Wars) mimt den weiblichen, James McAvoy (der junge Professor Xavier aus X-Men) den männlichen Part. Mit sehr viel Gefühl und Gespür für die Situation bringen sie uns durch die Geschehnisse und tragen dabei zu einem großen Teil der Atmosphäre bei. Diese ist bei Twelve Minutes nämlich hervorragend, gerade durch die vielen offenen Fragen, die sich einem beim Durchlauf der ersten Zeitschleife stellen. So viel sei gesagt: am Ende der einführenden 12 Minuten des Spiels tritt ein weiterer Akteur auf, aussehend wie Agent 47, dem man seinen Bartrasierer geklaut hat. Dieser beendet den Durchgang dramatisch und wird ebenso eindringlich von Willem Dafoe gesprochen. Vor nunmehr acht Jahren hatte er schon einen großen virtuellen Auftritt in Beyond: Two Souls und auch hier leistet er hervorragende Arbeit. Auf die weitere Handlung will ich an dieser Stelle nicht eingehen, sie ist wie erwähnt ein Grundpfeiler des Spiels und sollte nicht zu sehr vorweggenommen werden. Doch wie spielt sich das Ganze denn nun?


Das Gameplay bietet erst einmal klassische Adventurekost, wir können Dinge in der Wohnung betrachten, mit unserer Frau reden und auch Gegenstände mit anderen kombinieren. So weit, so bekannt. Der Clou ist wenig überraschend jedoch der Zeitschleifenfaktor. Nach spätestens 12 Minuten ist Schicht im Schacht und wir betreten die Wohnung erneut, erleben dieselben Abläufe von vorn. Der Held ist sich dessen bewusst, trägt die letzten Bewegungen oder Gedanken meist noch mit sich herum und leidet zunehmend und für uns als Spieler sichtbar darunter. Ein Hoffnungsschimmer kommt immer, wenn sich neue Dialog- oder Handlungsoptionen ergeben, weil wir eben Begebenheiten aus vorangegangenen Schleifen bereits wissen. So entfaltet sich schließlich ein Teppich aus einzelnen Informationsflicken und wir entdecken mit dem Mann zusammen  das große Ganze. Oder, nun ja, zumindest eine Interpretation dessen. Die Story erschließt sich nämlich auch nach dem Abspann noch nicht zu 100 Prozent, doch gerade das macht die Faszination für mich aus. Ich hatte und habe danach noch etwas mental zu kauen gehabt und das kommt in Videospielen zwar mittlerweile häufiger, aber noch längst nicht oft vor. Nicht falsch verstehen: die Eckpfeiler der Handlung sind recht eindeutig und auch einen entscheidenden Hinweis antizipierte ich etwas vor dessen Enthüllung bereits, aber dennoch schafft es Twelve Minutes, mich als scheinbar nur von oben beobachtenden Unbeteiligten selbst in eine gedankliche Schleife fallen zu lassen: man denkt weiter darüber nach, was denn nun eigentlich passiert ist. Doch können die immer gleichen Abläufe bis zum Ende wirklich fesseln?


Das ist ein zweischneidiges Schwert, denn Twelve Minutes zwingt mich schon zu einer gewissen Routine, die oft abgespult werden muss. Ich gelangte schließlich zu einem Punkt, an dem ich die Tätigkeiten immer weiter optimierte: auf dem Weg zum Kühlschrank gleich die Tasse mitnehmen, möglichst schon Wasser hineinfüllen, bevor die Ehefrau überhaupt das erste Mal aus dem Bad und in Erscheinung tritt und so weiter. Das kann nach einer Weile etwas nerven, zugegeben, doch irgendwie war das Interesse an dem nächsten greifbaren Informationsschnipsel größer als der leichte Frust - zumal sich später so manche Abkürzung  oder neue Option ergibt, was es etwas auflockert. Dennoch fühlte ich im weiteren Verlauf, gerade gegen Ende hin, etwas zu sehr mit der Verzweiflung des Helden mit: Denn es gibt Durchläufe, die wirken als wären sie besser nicht machbar, enden dramatisch oder fulminant gut, dass sie eigentlich nur den Abspann mit den Credits nach sich ziehen können, oder? Nein, plumps, wieder von vorn. Von vorn? Was habe ich denn falsch gemacht, wo ist ein neuer Ansatz zu finden? Diese Frage, wo die Handlung weitergeht, ist für mich teils unklar gewesen und das könnte den ein oder anderen Gamer ebenso stören. 


Insgesamt hat mich das Spiel die letzten Abende aber super unterhalten, auch das bekannte “nur noch ein Versuch”-Phänomen schlägt hier voll und ganz zu und motivierte mich ungemein. Twelve Minutes besticht durch gefühlvolle Dialoge, eine Interpretationsräume eröffnende Handlung und ein gerade für Adventures fesselndes Spielprinzip. Und jetzt los, betretet das Appartement und erlebt es selbst!

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