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Beyond: Two Souls (PS3) - Test

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Macht es wie ich: schmeißt die neue Scheibe von James Blunt in iTunes an, setzt euch hin und beschäftigt euch die nächsten Minuten mit ein paar Gedanken zu Beyond: Two Souls, dem neuen Triple-A-Titel für die PS3. Ihr mögt keine Games? Nun, dann ist gerade dieses hier vermutlich genau das richtige für euch...ach und keine Angst vor Spoilern, meinen Test hier könnt ihr bedenkenlos auch vor dem Zocken lesen...


Mit "Beyond: Two Souls" möchte der Spiel(e)-Film-Aficionado David Cage erneut unter Beweis stellen, dass das Medium Videospiel mehr, bessere, ja ergreifendere Geschichten zu erzählen hat als es uns die Call of Dutys dieser Welt glauben machen wollen. In der Vergangenheit war der gute Mann daher stark damit beschäftigt die Story seiner Werke in den Vordergrund zu rücken, weniger das Gameplay selbst. So kommt es, dass man zum Beispiel das grandiose "Heavy Rain" aus dem Jahr 2010 auch gut als mittelprächtig dressierter, farbenblinder Gibbon beenden konnte - freilich ohne allzu viel vom Inhalt zu verstehen, aber immerhin. In besagtem Spiel ging es vor allem darum, Tasten oder Analog-Sticks auf dem Gamepad im richtigen Moment in die angezeigte Richtung zu drücken. Besonders in Action-Szenen konnte dann ein Scheitern auch mal den Tod einer der Akteure bedeuten  - die Story ging davon unbeeindruckt einfach weiter. Was man schließlich geboten bekam, war ein richtig guter, grafisch toller, interaktiver Film mit einer handvoll spielbarer Hauptcharaktere, sowie mehreren möglichen und teils drastisch auseinander driftenden Enden. Wer es noch nicht gespielt hat, sollte diesen PS3-exklusiven Titel daher unbedingt noch spielen, bevor die PS3 auf dem Wohnzimmerregal im November Platz für ihren Nachkommen machen muss. Doch nun genug von der Vergangenheit, denn Beyond: Two Souls bietet ebenso genug Stoff zum Schreiben.

Bevor ich mich in den eigentlichen Gameplay-Details verliere, lasst mich die für mich besonders wichtigen Dinge gleich jetzt loswerden, ehe ich etwas versäume zu erwähnen: allem voran muss ich einfach die Grafik stellen, die der alten PlayStation 3 ein wahres Feuerwerk zu entlocken vermag. Es geht so weit, dass ich an einer handvoll Stellen beinahe das Gefühl hatte, tatsächlich in einen Film eingreifen zu können, so echt sah alles aus. Als Stichworte seien "Zugdach" und "Hast im Wald" genannt, für alle, die meine Äußerungen gerne in den Verlauf der Handlung einordnen wollen. Dann gibt es aber auch wieder Episoden in weitläufigeren Arealen, die schlichtweg nicht für diese Engine geschaffen sind, und die durch Popups und späte Textureinblendungen den Augenschmaus etwas schmälern. Alles in allem ist Beyond: Two Souls für mich aber das bis dato bestaussehende Videospiel, Punkt. Besonders die Gesichter und die Mimik sind ultra-nah am Fotorealismus, hier fehlt von Leberflecken und Falten, bis hin zu kleinsten Bewegungen fast nichts. Einen kleinen Vorgeschmack bietet das Titelbild mit Hauptcharakter Jodie Holmes. Vielleicht sollte ich aber eher "Hauptdarsteller" schreiben, denn für die Erfassung von Gesicht, Körper, Bewegungen und Stimme stand Hollywood-Star Ellen Page Pate. Diese kennt man unter anderem aus Filmen wie Inception, Juno oder dem von mir in diesem Blog bereits rezensierten "To Rome with Love".

Marketingtechnisch wurde diese Kooperation - und auch jene mit Willem Dafoe, (wer ihn nicht kennt, hier der wichtigste Fakt über ihn: CLICK) der eine andere Rolle im Spiel übernahm - im Vorfeld ordentlich ausgeschlachtet: "schaut her, wir haben nicht nur eine hollywoodreife Story, sondern auch die Darsteller an Bord, um ihr Ausdruck zu verleihen", hört man die PR-Schalmei quasi unaufhörlich tönen, wenn man sich den Wall an Trailern, Gameplay-Ausschnitten, Interviews und Newsfetzen der Monate vor Release ansieht. Ganz abgesehen davon, ob die typische "Hollywood-Story" etwas so Erstrebenswertes ist, sehe ich es immer gerne, wenn meiner so liebgewonnenen Freizeitbeschäftigung auch mal etwas mehr Aufmerksamkeit im Mainstream zuteil wird - und sei es durch (wirklich gute) Schauspieler. Allerdings hat die Besetzung des Spielercharakters durch Frau Page für mich nicht nur gute Seiten, ja stellenweise hat mir die Dame sogar ein wenig das Potenzial für empathische Gefühle vergällt. Versteht es nicht verkehrt, insgesamt hat die Handlung starke Momente, fesselt an den Schirm und ist gut ausgearbeitet, doch irgendwie konnte ich nie eine so enge emotionale Bindung zu Jodie aufbauen, wie zu manchen der Charaktere im heute schon so oft herangezogenen Vergleichspartner "Heavy Rain". Ich weiß nicht genau, woran es liegt, vielleicht an der etwas kühlen Art von Frau Page, die sich sowohl in ihrem Verhalten als auch in ihrer Stimme immer wieder manifestiert. Ich spielte übrigens komplett auf Englisch, und kann euch versichern, dass ihr auch mit nur mittleren, halbsoliden Fremdsprachenkenntnissen gut durchkommt. Und es lohnt sich auf Englisch, da die Vertonung exzellent ist - nicht nur die von Ellen Page und Willem Dafoe eingesprochenen Zeilen.

Kommen wir nun zum nächsten großen Punkt auf meiner Agenda, der Handlung. Auf Details gehe ich natürlich nicht ein, macht das Entdecken doch die Hauptmotivation zum Zocken aus. Nur ein paar wenige Eckdaten: Jodie Holmes ist von jeher mit einem Geisterwesen verbunden, das sie Aiden nennt und dessen Kontrolle wir hin und wieder übernehmen können. Die Beziehung zwischen den beiden ist einer der zentralen Aspekte der Handlung, denn beide sind im Grunde voneinander abhängig, können sie sich doch nicht voneinander trennen, sind wie durch eine Art Energieband miteinander verbunden. David Cage wendet hier einen erzählerischen Kniff an, indem er dem Spieler das Leben von Jodie nicht chronologisch, sondern durcheinander präsentiert. Zwischen den Levels, bei den Ladepausen, bekommt man dann den Titel des nächsten Abschnitts zu sehen, und wo dieser im Zeitstrahl einzuordnen ist - praktisch. Insgesamt empfand ich diese Design-Entscheidung manchmal als Vorteil, hin und wieder störte sie mich auch: so ist es zwar angenehm, zum Beispiel nicht zunächst alle Kindheits-Episoden am Stück spielen zu müssen, wodurch mehr Abwechslung ins Gameplay kommt. Und auch dramaturgisch baut sich einiges an Spannung auf, wenn man beispielsweise zu Beginn des Abenteuers einen kleinen Ausblick auf ein viel später angesiedeltes Geschehen wirft, woraufhin man dies dann stets im Hinterkopf hat, ja unbedingt wissen will, wie es dazu kam. Doch teilweise wurde dadurch auch die Konsistenz der Handlungen durchbrochen, muss man doch immer wieder überlegen, wie man nun gerade zu Person X oder Y steht, ob man Z schon kennt, was direkt vor dem Aktuellen passiert ist und was danach kommt. So passiert eine Zerstückelung, die es so in Heavy Rain nicht gab und die dem Ganzen nicht sehr gut tut. Auch einen wie ich finde großen Plot-Point durchschaute bzw. erahnte ich schon sehr früh im Spiel, worüber ich mich selbst beinahe ein bisschen ärgerte, brachte ich mich doch so um einen womöglich coolen Aha-Moment gegen Ende des Spiels. Vielleicht bin ich einfach schon zu sehr auf erzählerische Konventionen eingestellt, keine Ahnung.

Schauen wir auf die nackten Fakten, so macht das neueste Werk David Cages vieles ähnlich wie Heavy Rain, oder geht den eingeschlagenen Weg weiter: zwar verfolgen wir hier "nur" die Handlungen einer einzigen Person - eben jenen von Jodie Holmes - doch im Mittelpunkt steht auch bei Beyond ganz klar die Geschichte, die sich durch Entscheidungen verzweigen kann, je nachdem, wie man sich im Verlauf an Schlüsselstellen entscheidet. Allerdings muss ich sagen, dass ich die Tragweite der Konsequenzen bei Beyond meist als nicht so stark empfand, wie noch bei Heavy Rain: ganz grundsätzlich folgt man schon einem roten Faden, der einen durch die einzelnen Episoden führt und der uns nur ab und zu mal etwas weiter weg lässt, um die nähere Umgebung zu erforschen oder auch Dinge einfach wegzulassen. Erst gegen Ende kommen dann wahrlich weitreichende Gabelungen hinzu, ich hörte gar, dass es insgesamt mehr als 20 Variationen des Finales geben soll. In diesem Punkt fand also ein kleiner Rückschritt im Vergleich zu Heavy Rain statt. Dies trifft aber nicht auf die Steuerung zu: hier wurde noch weiter reduziert, sodass man bei Auswahl des fortgeschrittenen Schwierigkeitsgrads meist nicht einmal die zu drückenden Richtungen angezeigt bekommt. Vielmehr verlangsamt sich das Geschehen kurz und man muss genau auf die Bewegungen Jodies schauen und ihre eingeschlagene Richtung quasi verlängern. Bei einem Tritt nach rechts auf das Schienbein eines Gegners muss man dann eben auch mit dem rechten Stick nach rechts drücken. Das klappt meist ganz gut, einige Male jedoch empfand ich die Bewegungen kontra-intuitiv oder war einfach nicht schnell genug beim Ausführen. Variationen des Prinzips sind dann noch das schnelle Drücken einer bestimmten Aktionstaste oder das Halten mehrerer Buttons, um beispielsweise irgendwo hochzuklettern. Scheitert man bei der Eingabe, hat dies oft keine allzu großen Konsequenzen, in nicht-Action-Szenen probiert man es einfach erneut. Wenn man an einigen Stellen die Kontrolle über Jodies Geister-Kumpanen Aiden übernimmt, ergeben sich noch ein paar mehr Einflussmöglichkeiten, die das Spiel reizvoll für experimentierfreudige Gemüter machen: so bleibt es beispielsweise mir als Aiden überlassen, ob und - wenn ja - wie sehr ich mich in der Jugendzeit Jodies an ein paar Altersgenossen räche, die sie zuvor gemobbt haben. Wenn ich es dabei übertreibe, versucht mich Jodie mitunter zu bremsen, bittet, dass ich doch aufhören möge. Es ist dann an mir, auf sie zu hören oder sie zu ignorieren. Mit der Zeit wurde ich als Spieler immer mehr zu Aiden, weniger zu Jodie, mehr zum Beobachter und potenziellen Beeinflusser ihres Lebens als zum direkten Steuermann ihrer Geschicke. Herrn Cage ist es wahrlich gelungen, eine sehr facettenreiche Beziehung zur Spielfigur zu erschaffen, die mich wirklich einbezieht, mir Gestaltungsraum gibt. Ich werde zum Beschützer des jungen Mädchens, zum Eifersüchtigen Freund, zum zahmen Partner oder zum grausamen Rächer - und ich ertappte mich ein ums andere Mal dabei, es hin und wieder übertrieben zu haben.

Insgesamt kommt der sehr cineastischen Inszenierung zugute, dass das Interface auf das Nötigste reuziert wurde: es gibt kein HUD, da es auch nichts zum Anzeigen gäbe: bei Beyond gibt es kein Inventar, keine Munition, ja nicht einmal eine Lebensenergie-Anzeige. Wenn man mit einer Person oder einem Gegenstand interagieren kann, wird dies durch einen schlichten weißen Punkt angezeigt, und die Handlung startet, wenn man den rechten Stick in die entsprechende Richtung bewegt. Ihr merkt: auch Beyond: Two Souls stellt euch vor keine großen Herausforderungen, und ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass auch wahre Neulinge im Bereich der Videospiele problemlos bis zum Ende kommen werden. Ja, das Spiel ist so simpel, dass es mal wieder eine leidige Diskussion losgetreten hat.

Wovon ich spreche ist das Für und Wider, ob "so etwas" denn überhaupt noch als Spiel bezeichnet werden könne. "Ist es nicht vielmehr eine Aneinanderreihung von Zwischensequenzen, ja letztlich ein Film?", schwadronieren da einige. Ich persönlich will natürlich niemandem vorschreiben, was er denkt - und ich kann es zu meinem Leidwesen auch nicht, hehe - aber nichts hält mich auf, hier meinen Standpunkt zu verewigen: meiner Auffassung nach darf sich jedes elektronische Werk, das mir eine Interaktion jedweder Art mit Tempo, Art und/oder Ausgang der Handlung bietet, auch "Videospiel" schimpfen. Beyond ist weit davon entfernt, lediglich ein Film zu sein, ja es ist in einigen Bereichen sogar weiter davon entfernt als es damals noch Heavy Rain war. Ohne etwas zu verraten, kann ich feststellen, dass das man in David Cages neuem Spiel in einigen Bereichen wirklich mehr selbst und unmittelbarer steuert, ja einfach mehr zu tun hat. Freilich ist es damit noch lange kein klassisches Action-Adventure, doch die Interaktivität erlaubt es mir hier stärker als bei vielen anderen Spielen, dass ich dem Ausgang der Handlung und den Schritten dazwischen zumindest meine eigene Färbung verleihen kann, es zu meiner Interpretation von Jodies Leben machen kann - und dass mir David Cage dies erlaubt, ist aller Ehren wert! Ach und James Blunts neues Album ist auch ziemlich gut...


Fazit: Mit "Beyond: Two Souls" ist David Cage nach "Heavy Rain" zwar nicht der nächste große Hit gelungen - dazu gibt es zu wenige echte Konsequenzen meiner Handlungen. Auch wirken einige Passagen etwas fehlplatziert. Doch insgesamt fesselt das Abenteuer bis zum Schluss, baut eine ungewöhnliche Bindung zwischen Spieler und Figur auf, beeindruckt durch eine fantastische Technik und rührt das Herz an.


Und nun noch ein Wort zu meinem neuen Wertungssystem für Games: ich vergebe bis zu 5 "Smokeys" (siehe meine Blog-Titelgrafik), abstufbar in halben Einheiten. Eine 5 ist dabei sozusagen "Smokin' HOT", die 1 eher "Dust beneath my feet", also schlecht. So seht ihr eingedampft auf einen Blick, wie sehr mir das Spiel gefallen hat - simpel, aber effektiv. 



Wertung:









Kurzinfos:

Name: Beyond: Two Souls
Plattform: PS3
Entwickler: Quantic Dream
Publisher: Sony Computer Entertainment
Genre: filmisches Adventure
Release: 11. Oktober 2013
Homepage: CLICK 

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